Fahnenchronik und Flaggenkunde

Erstellt am
01.01.2023

Unter Fahne versteht man ein Stück Tuch, das an einem Stock befestigt ist. Durch seine Farbe und Zeichnung soll es als Symbol für eine bestimmte Sache oder eine bestimmte Gemeinschaft von Menschen dienen. Das Wort „Fahne" geht auf gotisch „fana", althochdeutsch „fano" zurück , was soviel wie „Tuch" bedeutet. Die Fahne wird in der Regel getragen oder aufgestellt.

Im Gegensatz dazu wird die Flagge, die gleichartigen Zwecken dient, mittels einer Leine gehisst oder als Flaggentuch an einer Wand befestigt. Während die Flagge (das Flaggentuch) ersetzbares „Verbrauchsmaterial" ist, wird die Fahne (das Fahnenblatt) nicht erneuert, sondern in ihrer ursprünglichen Form so lange wie möglich aufbewahrt, da sie in ihrer Gesamtheit ein Symbol darstellt. Für Details über die korrekte Verwendung von Fahne und Flagge siehe die Österreichische Fahnen- und Flaggenordnung.

Fahnen am Mast

Geschichte

Die Geschichte der Fahne reicht weit zurück in die Vorzeit. Wahrscheinlich wurden zunächst Tierfelle an Stangen befestigt, um weithin sichtbare Zeichen zu geben.

Schon die alten Kulturvölker Asiens verfügten über verschiedene Feldzeichen, die aus Holz, Metall, Leder oder anderen Materialien angefertigt wurden. Sie symbolisierten die von ihren Trägern verehrten Gottheiten, die Schutz geben und Sieg verleihen sollten.

In der Bibel ist auf eher unbestimmte Weise von "Feldzeichen" die Rede. Kriegerische Auseinandersetzungen in Wüstengebieten erfordern weithin erkennbare Zeichen - was lag daher näher, als ein Stück Tuch im Winde flattern zu lassen? Psalm 20,6 ("Dann wollen wir jubeln über deinen Sieg, im Namen unseres Gottes das Banner erheben") deutet darauf hin, dass die Juden mit dem Gebrauch von Fahne und Flagge vertraut waren.

Die frühesten Fahnen­formen waren Stangen, die an ihrer Spitze verschiedene Symbole trugen. Die bekanntesten davon sind die römischen Signa. Für die oft tausende Meilen von Rom entfernt stationierten Soldaten waren sie „tragbare Götter" und somit Gegenstand heiliger Handlungen.

Ursprünglich hatte jedes Manipel (120 bzw. 60 Soldaten) sein eigenes Feldzeichen, das der „Signifer" trug und womit er die Befehle seines Zenturios optisch weitergab. Daneben existierten die sogenannten „Palladien", Kultsymbole wie Adler, Minotaurus, Pferd, Eber und Wolf, die von besonderen Wachen geschützt wurden. Nicht selten kam es vor, dass ein römischer Befehlshaber das Feldzeichen seiner Einheit in die Reihen des Gegners schleudern ließ, um die eigenen Kämpfer dazu anzuspornen, es zurückzuerobern.

Marius ordnete 104 v. Chr. an, dass neben den taktischen Feldzeichen der Manipeln und Kohorten die Legion den Adler (aquila) als alleiniges Symbol führen solle. Diese erste Truppenfahne diente also nicht mehr taktischen Zwecken, sondern war heiliges Zeichen der Legion. Der römische Adler wurde dabei stets in seiner charakteristischen, zum Flug bereiten Form dargestellt. Er war etwa taubengroß, aus Silber oder Bronze gefertigt und sollte seiner Legion als Glücksbringer „voran fliegen".

Dem Legionsadler an der Stangenspitze wurde in der Folge ein Stück Tuch an einem horizontalen Balken hinzugefügt - das Vexillum (Banner), von dem die Flaggenkunde (Vexillologie) ihren Namen hat.

Vor oder während der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 n. Chr. soll Kaiser Konstantin dem Großen (307-337) das Chi-Rho-Symbol erschienen sein mit der Verheißung, dass er in diesem Zeichen siegen werde. Konstantin befestigte das Chi-Rho am Labarum, der Fahne des Oberbefehlshabers, und besiegte seinen Rivalen Maxentius. Anschließend verbreitete sich das Christus-Monogramm im ganzen Römischen Reich. Die Gegner der Römer im Norden, die Germanen, kannten ebenfalls schon Feldzeichen; sie wurden aber nicht zu taktischen Signalzwecken eingesetzt, sondern nur in kultischer Funktion. Die Symbole der altgermanischen Gottheiten - wie Wotans Speer oder Zius Schwert - wurden bei Kriegsausbruch aus den heiligen Hainen hervorgeholt, um in der Schlacht die Männer zu höchster Tapferkeit anzufeuern.

Die eigentliche Fahne im heutigen Sinn - ein an einem eher schmucklosen Stock seitlich befestigtes Tuch - verdanken wir wahrscheinlich den Chinesen. Es ist anzunehmen, dass in China schon um 3000 v. Chr. bemalte Seidenfahnen für kriegerische und kultische Zwecke verwendet wurden. Die Seide (bzw. die aus ihr gefertigte Fahne) gelangte in der Zeit der Kreuzzüge aus dem Orient in den Westen.

Träger der Kreuzzüge waren vor allem die Ritterorden. Auch sie führten Wappen und Fahnen. 1188, das Jahr vor dem dritten Kreuzzug, gilt als das Entstehungsjahr der modernen Nationalflaggen: Um nicht nur Personen, sondern auch nationale Heeresverbände auseinanderhalten zu können, einigte man sich unter den Kreuzrittern darauf, verschiedene Farben anzunehmen.
Als erste moderne Form der Fahne entstand im Westen der „Gonfanon" (ital. guntfano, Kriegsfahne), ein langes, meist mehrzipfeliges Tuch, das an einer Lanze befestigt wurde.

Von etwa 1200 an wurde der Reichsadler schwarz auf gelbem Grund in der Reichsfahne geführt, nachdem er in die Wappen wichtiger Reichsfürsten Eingang gefunden hatte.

Als das „Fußvolk" der Söldner die Ritterheere ablöste, wurde aus dem schwer manipulierbaren Banner die handlichere Fahne - anfänglich noch häufig „der fan" genannt. Dazu gesellte sich bald die von der Reiterei aus praktischen Gründen bevorzugte Standarte (von „Standhart", d. i. die in den Boden gerammte Fahne). Die Standarte ist kleiner als die normale Truppenfahne, ihr quadratisches Blatt hat meist ein Maß von 50 x 50 cm, während die noch leichtere Dragonerfahne in zwei Spitzen geteilt ist. Als Kirchenfahne hat sich das Vexillum bis in die Gegenwart erhalten.

Die österreichische Fahne

Die Farben Rot-Weiß-Rot gehen auf eine Initiative Friedrichs II., des Streitbaren (1210-1246),  zurück. Dieser letzte Herzog aus dem Stamm der Babenberger beschloss, sich um 1230 ein neues Wappen zu geben, um die Eigenständigkeit seines Landes gegenüber dem Reich zu betonen. Er wählte dafür den rotweiß-roten Bindenschild.

Die älteste bekannte Abbildung einer österreichischen Fahne findet sich auf dem Reitersiegel von 1254, auf dem sich Graf Otto von Plain und Hardeck als „Signifer Austriae" bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Reiterfahne mit länglichem, abnehmbaren rot-weiß-roten Fahnenblatt. Auf der Basis der alten Babenbergerfarben führte Joseph II. im Jahre 1786 die rot-weiß-rote Seeflagge mit gekröntem Bindenschild ein, die bis 1918 in Gebrauch war und die „Mutter“ der republikanischen Bundesdienstflagge ist. In der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie trugen die Truppenfahnen auf der Vorderseite den Doppeladler, auf der Rückseite oft ein Madonnenbild. Eine solche Fahne wird noch heute dem Garderegiment vorangetragen.

Die militärischen Traditionsfahnen sind Ausdruck der Absicht, dem Kampfgeist früherer Truppenkörper nachzueifern und ihre Verbundenheit mit Herrscherhaus oder Nation fortzusetzen. Bis heute leisten die Rekruten des österreichischen Bundesheeres ihr Gelöbnis auf die Truppenfahnen. Vereinsfahnen drücken den Willen der Mitglieder aus, den Gründungsgedanken und ursprünglichen Vereinszweck hochzuhalten und die Gemeinschaft - oft über Generationen hinweg - weiterzuführen: denken wir nur an den Kameradschaftsbund, die Studentenverbindungen oder auch traditionelle Arbeitervereine.

Bei der Ausrufung der österreichischen Republik kam es zu einem beispiellosen Vorfall, der sich am 12.11.1918 auf der Parlamentsrampe ereignete: Wo rot-weiß-rote Flaggen feierlich gehisst hätten werden sollen, stiegen verknotete rote Flaggentücher empor. Rote Garden hatten den weißen Mittelstreifen herausgerissen und nur das rote Tuch gehisst: in der ersten Minute ihrer Existenz erlebte die Republik Österreich bereits eine Krise ihrer staatlichen Symbolik. Der Vorfall war genauso typisch für die mangelnde nationale Identität Österreichs, das sich provisorischen Verfassung vom 30. Oktober 1918, als „Deutschösterreich" zu einem Bestandteil der Deutschen Republik erklärte. Nach den leidvollen Perioden der Zwischenkriegszeit, des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges wurden die rot-weiß-roten Farben erstmals wieder Mitte April 1945 als Zeichen der nationalen Selbstständigkeit Österreichs gehisst. Mit der durch den Staatsvertrag 1955 besiegelten vollen Unabhängigkeit wuchs Österreich immer mehr zu einer selbstbewussten Nation zusammen.